Petro Rudyi

Iwano-Frankiwsk

Petro Rudyi ist 84 Jahre alt, der Mann stammt aus Iwano-Frankiwsk. Seine Stimme ist ruhig, doch in seinen Augen ist tiefe Müdigkeit sichtbar.

Trotz der schwierigen Jahre studierte Petro. Er machte seinen Schulabschluss und diente in der Armee. In seiner Jugend fühlte er sich zu Worten hingezogen und war von Poesie fasziniert. Taras Shevchenko, Vasyl Symonenko, Ivan Franko, Vasyl Stus – er sah die Wahrheit in ihren Zeilen. Vielleicht hat er sich deshalb für den Beruf des Arztes entschieden – er wollte Schmerzen nicht nur verstehen, sondern auch behandeln.

Die Medizinische Universität in Iwano-Frankiwsk eröffnete ihm eine Welt des Wissens. Er vertiefte sich in die Medizin, studierte Anatomie und beherrschte die Kunst des Helfens. „Ich habe viel Leid gesehen“, sagt Herr Petro, „aber ich wusste, dass ich meine Arbeit machen musste.“

Die Liebe zu Büchern ist mit dem Alter nicht verblasst. Er liest immer noch viel. Er erwähnt Professor Stepan Henyk, der die letzten Tage vom Dichter Schewtschenko erforschte. Das war es, was ihn schon immer interessierte – Leben, Tod und die Spuren, die wir hinterlassen.

„Wenn wir unser Wissen vermehren, vermehren wir auch unser Leid“, seufzt der Mann. „Vielleicht wäre das Leben einfacher für mich, wenn ich weniger wüsste.“

Herr Petro spricht mehrere Sprachen: seine Muttersprache Ukrainisch, Polnisch, Latein und ein wenig Deutsch. Dutzende Zitate und Sprichwörter leben in seinem Kopf und in seinem Herzen – Musik. Er hört gern die Lieder von Solomia Krushelnytska, Volodymyr IvaiIuk und auch die Musik von Beethoven. „Musik heilt genauso wie Worte“, sagt Herr Petro.

Seine Erinnerung ist die Erinnerung an eine ganze Generation, die Kriege, Unterdrückung und Armut überlebt hat, ohne ihre Würde zu verlieren. Und selbst jetzt, im Alter von 84 Jahren, bleibt er seinen Idealen treu: wissen, im Gedächtnis behalten, heilen und leben.