Nadia Serediuk

Weletenske, Oblast Cherson

Auch mit 70 Jahren denkt Nadia Serediuk in erster Linie daran, dass sie eine Frau ist. Eine schöne, gepflegte Frau, die nicht einmal einen Gehstock benutzen möchte, obwohl ihr das Gehen große Schwierigkeiten bereitet.

Frau Nadia kommt aus dem Dorf Veletenske in der Region Cherson. Nach der Befreiung von Cherson wurde das Leben nicht einfacher, im Gegenteil – Raketen und Schacheden flogen in das Dorf. Viele Menschen seien im Dorf gestorben, sagt die Frau. Die letzte Drohne schlug drei Meter vom Haus entfernt ein. Die Druckwelle ließ sämtliche Fenster zerspringen, Türen flogen auf. Die Frau lebte allein, ihr Mann starb 2020 an Covid. 9 Monate später verlor sie einen Sohn.

Ein anderer Sohn ging ins Ausland. Die Russen boten ihm eine Zusammenarbeit an, doch er lehnte ab und musste fliehen.

Der Aufenthalt zu Hause war lebensgefährlich, da die Frau nicht in den Keller gehen konnte. Frau Nadia erlitt vor 11 Jahren einen Schlaganfall. Die Folgen sind noch heute spürbar. Die rechte Seite war gelähmt.

Die Frau war bettlägerig. Meine rechte Hand funktioniert immer noch nicht. Aber dank Massagen und Übungen gelang es mir, mein Bein zu bewegen. Frau Nadia kann gehen, aber sehr langsam. Sie möchte keinen Gehstock benutzen, sie sagt, sie fühle sich dabei unwohl.

Die Frau hatte Hühner zu Hause. Ihre Nachbarn kümmern sich heute um die Hühner.

Frau Nadias Kindheit war voller tragischer Ereignisse. Als die kleine Nadia noch keine 5 Jahre alt war, starb ihre Mutter. Sie arbeitete auf einer Farm und wurde beim Ausbringen von Dünger auf den Feldern von einem Traktor angefahren. Sie war erst 28.

Nadia hatte einen jüngeren Bruder. Die Großeltern nahmen ihn auf und ließen die kleine Nadia bei ihrem Vater. Die Großeltern sagten, es sei viel teurer ein Mädchen einzukleiden als einen Jungen, und sie hätten dafür kein Geld. Später heiratete der Vater des Mädchens ein zweites Mal. Die neue Frau des Vaters wurde die Mutter des Mädchens.

„Sie hat mich sehr gut behandelt und mir immer Süßigkeiten gekauft“, erinnert sich die Frau. Doch, das Eheleben des Vaters und seiner neuen Frau war nicht reibungslosgewesen und das Mädchen blieb erneut ohne mütterliche Fürsorge zurück.

Im Alter von 8 Jahren wurde Nadia auf ein Internat geschickt. Zum Glück wurde sie dort nicht beleidigt. Sie sagt, sie hätte keine Beschwerden.  Im Internat ist sie aufgewachsen. Bereits mit 16 Jahren begann das Mädchen eine Ausbildung zur Schneiderin. Später fand sie ihre Liebe. Sie heiratete und bekam zwei Söhne.

Die Frau arbeitete 25 Jahre lang als Köchin in einem Kindergarten. Von Zeit zu Zeit nähte sie. Wenn Frau Nadia an ihr Leben zurückdenkt, sagt sie, dass sie immer für jemanden gelebt hat – für ihre Söhne, dann für ihre Enkelkinder, aber nie für sich selbst.

„Erst jetzt, nach 48 Jahren, bin ich in einem Erholungsort gelandet“, sagt die Frau über die Notunterkunft. – Denn es waren drei Männer im Haus, ich musste kochen, putzen und jetzt ruhe ich mich endlich aus. Das Personal macht sauber und kümmert sich um uns. „Ich danke dem Personal der Notunterkunft aufrichtig für die Fürsorge und Liebe.“