Lidiia Moriakovska
Nowohradivka, Oblast Donezk


Lidiia Moriakovska ist 93 Jahre alt. Sie ist die älteste Bewohnerin des Schutzraums. Und sie war eine der ersten, die im November 2023 aus der Stadt Nowohradivka in der Oblast Donezk in die Region Iwano-Frankiwsk kam.
„Es ist so herzzerreißend, dass eine so alte Person im Spätherbst ihres Lebens vor denen fliehen musste, die sie ihr ganzes Leben lang als ein brüderliches Volk betrachtet hatte“, sagt die Mitarbeiterin des Schutzraums, Nadiia Nakonechna, traurig. „Als ich sie zum ersten Mal sah, tat sie mir so leid – sie erinnerte mich an meine verstorbene Mutter: klein gewachsen, verloren in einem fremden Zuhause, orientierungslos in der Zeit. Der Krieg wählt nicht – er zerstört Leben, ob es unschuldige Kinder und Frauen oder die Gebrechlichen und Kranken sind.“
Die lange Reise wurde zu einer ernsthaften Herausforderung für die ältere Dame. Nur eine Woche nach ihrer Ankunft verschlechterte sich ihr Zustand plötzlich – sie entwickelte Fieber, wurde schwach, verweigerte die Nahrung und wurde bettlägerig. Nach einer Überweisung vom Hausarzt wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert, und die Ärzte kämpften um ihr Leben. Leider waren solche Krankenhausaufenthalte nicht selten, da das Alter, die Unterernährung und die Erschöpfung während des ersten Kriegsjahres vor ihrer Umsiedlung die Gesundheit von Frau Lidiia stark beansprucht hatten. Doch dank der hingebungsvollen Pflege durch die Sozialarbeiter konnte sie sich jedes Mal erholen und ihre Krankheiten besiegen.
Frau Lidiia hat Verwandte, die in Russland leben, aber leider hat sich keiner von ihnen je nach ihrem Befinden erkundigt – oder sogar gefragt, ob sie noch lebt. Die einzige Person, die sich um ihr Schicksal kümmerte, war eine Sozialarbeiterin, die sie noch vor dem Krieg in Nowohradivka besucht hatte.
Im Schutzraum wird Frau Lidiia mit tiefem Respekt behandelt. Alle nennen sie „Oma“, und sie bedankt sich immer höflich bei allen für ihre Freundlichkeit und Geduld, für die Hilfe und Unterstützung, die sie erhält. Dennoch gibt es Momente, in denen sie nicht einmal weiß, wo sie sich befindet. Oft fragt sie, wann es Zeit ist, nach Hause zu gehen, und bittet die Menschen, ihre Adresse nicht zu vergessen.
Dieses Heimweh und der Traum von der Rückkehr leben im Herzen jedes Bewohners des Schutzraums. Und der Kummer in den Augen von Frau Lidiia ist ein leiser, unbestreitbarer Beweis dafür.